Was geschieht in der beruflichen Alltagswelt?

Abgrenzung:  Das "Problemmaterial" psychotischer Krisen betrifft Störungen der Aufmerksamkeit, des Denken, der Ich-Funktionen, der Wahrnehmung, der Intentionalität und des Antriebs, der Psychomotorik und der Affektivität. Diese Symptome sind im Arbeitsalltag nicht zu bewältigen und erfordert eine schnelle medizinische Intervention (nötigenfalls auch ein entschiedenes Hinwirken hierauf). Schizophrenien sind mit einem hohen Chronifizierungsrisiko verbunden. Frühe Erkennung und Behandlung verbessern die Chance für einen günstigen Erkrankungsverlauf.[1]

Für Rehabilitanden und Betreuer unterscheiden sich externe Rehabilitationsplätze erheblich von der konventionellen Werkstatt.

Die Rehabilitanden müssen über kurz oder lang dazu in der Lage sein, Anschluss zu finden an die informelle Handlungskoordination im Betrieb. Teilnehmer, die nicht ein Minimum an Beziehungsfähigkeit mitbringen, die fremd bleiben, die Beziehungen alltäglich am Nullpunkt neu beginnen, scheitern.[2] Sie machen insgesamt keine Fortschritte und müssen letztlich wieder aus dem Betrieb herausgenommen werden. Das sind nicht unbedingt Klienten, die zu den "schwächeren" bzw. geringer qualifizierten gehören.

 

Kommunikationsfähigkeit ist eine Schlüsselkompetenz im Reha-Prozess.[3]

 

In unserem Trainingsbetrieb (VW OTLG) gab es eine Konkurrenz der Abteilungen um den Einsatz der Rehabilitanden.

 

Betreuer-Rolle:  Mit dem Einsatzrahmen verändert sich auch die Betreuer-Rolle:

1.Der Betreuer ist (anders als in der Werkstatt) nicht mehr Teil des "Personals". Möglicherweise sind das eher seine Klienten. Und die betriebliche Öffentlichkeit wirkt ihm gegenüber als soziale Kontrollinstanz. Seine "Haltung" wird publik.
2.Die Betreuung von Einzelarbeitsplätzen (auch in "virtuellen Gruppen") verändert die Betreuer-Rolle noch weitergehender. Der Betreuer wird zum Coach. Das "Rollenbündel" der Werkstatt löst sich auf. Andere Akteure übernehmen Funktionen in Bezug auf Arbeitsanleitung und Schulung. Und das Coaching gewinnt seinen Sinnbezug aus den Problemen seiner Klienten im Betrieb, insbesondere aus den Anforderungen der alltäglichen Zusammenarbeit.

 

Das Problemmaterial:  Leistungsdefizite, Regelverstöße und Motivationsprobleme sind die drei wichtigsten Problemkomplexe, die in der betrieblichen Alltagswelt von den verschiedenen Akteuren wahrgenommen und eingeordnet werden, um sie zu überbrücken oder zu lösen oder die Kooperation einzufrieren bzw. zu beenden.

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[1]

Zur Akutsymptomatik Gaebel 2010 S. 8 und zum Chronifizierungsrisiko u.a. ebd. S.30

[2]

Wenn Klienten auch noch Angst davor haben, Fragen zur Arbeitsausführung an Kollegen zu richten, dann produzieren und vertuschen sie ggf. Fehler.

[3]

"Aus wissenschaftlicher Sicht bestehen keine Zweifel, dass gerade die Therapie sozial-kommunikativer Funktionseinbußen im Zentrum psychiatrischer Rehabilitation chronisch psychisch Kranker steht." (Rössler 2004 S. 2)
Es sind also nicht die akuten, diagnose-relevanten Symptome der Schizophrenie, die die Zugänglichkeit für die Rehabilitation bestimmen. Hierzu Fallbeispiel Frau Mohr im Anhang (Fall A).

Die neuere empirische Kommunikationsforschung zeigt übrigens, wie sehr Kommunikation und Zusammenarbeit miteinander verwoben sind (hierzu Tomasello 2009). Auf die kommunikationstheoretische Fundierung des Lebensweltkonzeptes bei Habermas 1981 hatte ich bereits hingewiesen.